„Halb gestrichen” 

Wenn Mieter und Vermieter über “Schönheitsreparaturen” (also das Streichen der Wände u. Decken und das Lackieren der hölzernen Innentüren, -fenster und Scheuerleisten) stritten, befand sich der Mieter bislang in der Defensive. Er musste den Ersatzanspruch des Vermieters abwehren, weil er die Schönheitsreparaturen nicht pflichtgemäß ausgeführt habe. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied 2015, dass der Vermieter seinen Mieter im Kleingedruckten des Mietvertrages nur zu Schönheitsreparaturen verpflichten kann, wenn er ihm die Wohnung bei Einzug frisch renoviert übergibt. Denn der gesetzlichen Regelung zufolge – die allerdings zur Disposition der Vertragsparteien gestellt ist – trägt der Vermieter den üblichen Verschleiß der Mietsache (also z.B. der Wohnung), eben als eine Gegenleistung für die Miete. Diese Wertung darf der Vermieter mit einem von ihm dem Mieter vorgegebenen Formulartext nur übergehen, wenn zumindest garantiert ist, dass der Mieter nur den vom ihm (und nicht etwa von einem Vormieter) verursachten Verschleiß ausgleichen muss.

Wenn es demnach dabei bleibt, dass der Vermieter den Verschleiß ausgleichen muss, also wenn er die Wohnung dem Mieter eben nicht frisch renoviert überlassen hat, kann der Mieter in die Offensive gehen und vom Vermieter während der Mietzeit verlangen, z.B. die Wohnung frisch zu streichen. Das hat der BGH nun zwei Urteilen vom 9.7.20 bestätigt.

Zugleich hat der BGH aber erkannt, dass sich der Mieter an den Kosten der vom Vermieter auszuführenden Schönheitsreparaturen beteiligen muss. Denn andernfalls bekäme der Mieter – auf alleinige Kosten des Vermieters – eine bessere Wohnung als bei seinem Einzug. Vermieter und Mieter müssten sich die Kosten im Zweifel hälftig teilen, heißt es dann allgemein zur Höhe der Beteiligung. Aber eben nur im Zweifel, also wenn keine Anhaltspunkte für eine andere Teilung bestehen. So dürfte im Einzelfall eine erhebliche Rolle spielen, wie lange der Mieter in seiner unrenovierten Wohnung durchgehalten hat, bis er vom Vermieter verlangt, Schönheitsreparaturen auszuführen. Auch der Zustand der Wohnung, den der Mieter bei Abschluss des Mietvertrages – meist notgedrungen – hingenommen hat, wird zu beachten sein. Mieter und Vermieter werden ihr Verhandlungsgeschick und die das juristische Tagesgeschäft übernehmenden Untergerichte ihr Judioz beweisen können und müssen.

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